Die Formel 1 und das 24-Stunden-Rennen von Le Mans sind seit mehr als einem halben Jahrhundert weltweit die wichtigsten Bewerbe für vierrädrige Prototypen: die hohen Investitionen, die die Autohersteller in den letzten Jahren getätigt haben, brachten den Einsitzern Hybridmotoren mit bis zu 1.000 PS. 

In der Formel 1 werden diese Resultate mithilfe von Power Units erreicht, die aus sechs verschiedenen Elementen bestehen: einem 6-Zylinder-Verbrennungsmotor mit 1,6 l Hubraum und maximal 15.000 Umdrehungen/Minute; einem Turbolader; einer MGU-H (Motor Generator Unit – Heat); einer MGU-K (Motor Generator Unit – Kynetic); einem Steuergerät; einer Batterie 

Beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans haben die Konstrukteure hingegen viel mehr Möglichkeiten bei der Wahl, wie sie die Power Unit gestalten wollen: manche entscheiden sich für einen 2,4 l Bi-Turbomotor mit Rückgewinnung der kinetischen Energie, andere für einen einfachen 4,5 l Saugmotor (das Reglement sieht eine Höchstgrenze von 5,5 l vor). In der Formel 1 sind die Verzögerungen sehr stark, mit Werten, die oft über 5G liegen (in Monza werden sogar 6,7G erreicht), beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans ist die Bremsstärke nicht höher als 3,5G. Der Unterschiedl liegt daran, dass die Masse der beiden Fahrzeugtypen unterschiedlich ist. 

Das Gewicht eines Formel 1 Boliden liegt inklusive Fahrer unter 733 kg, ein LMP1-Wagen, der in Le Mans fährt, wiegt mindestens 875 kg, plus 3 kg für die Ausstattung mit einer Fernsehkamera oder einer Ersatzstromversorgung. Die LMP1 ohne Hybrid können allerdings bis zu 45 kg weniger wiegen, kommen also auf etwa 833 kg. 

ZWISCHEN 100 MINUTEN UND 24 STUNDEN BESTEHT EIN GROSSER UNTERSCHIED

Während ein Formel-1-Rennen meistens um die 100 Minuten und jedenfalls nie länger als zwei Stunden dauert, wird beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans einen ganzen Tag gefahren. Hier ein einfacher Vergleich zwischen zwei Rennstrecken, die sich hinsichtlich Länge, Beschaffenheit, geographischer Lage und Klima ähneln: während des GP von Belgien in Spa müssen die Formel-1-Wagen etwa 350 Bremsungen leisten, beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans kann die Anzahl der Bremsungen für einen LMP1 über 4.000 sein. Eine echte Herausforderung für Brembo, der aber mittlerweile zwanzig Jahre Erfahrung in Langstreckenrennen hat und individuelle Lösungen anbieten kann. 
Die einzige Gemeinsamkeit, die die beiden Fahrzeugtypen im Bereich der Bremse haben, ist das Carbon-Material, das für die Herstellung der Bremsscheiben verwendet wird. Die Eigenschaften der Bremsscheiben unterscheiden sich aber sehr stark, wie ihr in der folgenden Tabelle sehen könnt: 

bremsscheiben le mans formula 1 vergleich

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Der unterschiedliche Scheibendurchmesser hängt von den Felgen, die in den beiden Meisterschaften eingesetzt werden, ab: in der Formel 1 sind derzeit 13-Zoll-Räder erlaubt, beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans werden 18-Zoll-Räder verwendet.

ZWEI EXTREME DER BELÜFTUNG


In der Formel 1 ist die Belüftung ein elementarer Bestandteil, um die Überhitzung der Anlage zu vermeiden. Je nachdem, welche Temperaturen während des Grand Prix erwartet werden und je nach der jeweiligen Rennstrategie hat jeder Fahrer drei alternative Lösungen an Brembo Bremsscheiben: mit etwa 900, 1.200 oder 1.400 Bohrungen. 

Jedes Team kann auf ein individuelles Design für die Kühlung zählen, da dies für eine optimale Hitzeableitung sehr wichtig ist: die Scheibentemperatur in der Formel 1 kann bei Bremsungen in der Spitze bis zu 1.000°C erreichen. Die Belüftung bei einem LMP1 hat hingegen nicht so eine hohe Wichtigkeit, beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans haben die Teams eher das umgekehrte Problem im Vergleich zur Formel 1: statt die Bremsanlage zu kühlen, müssen sie, vor allem in der Nacht oder bei Fahrten hinter dem Safety Car, verhindern, dass die Temperatur zu stark sinkt. Das erklärt die geringe Anzahl von Belüftungslöchern, so wie sie in der Formel 1 vor Jahren verwendet wurden. 

In Le Mans muss darauf geachtet werden, dass die Carbon-Bremsscheiben nicht unter 350°C abkühlen, da sonst die Gefahr der Verglasung (“glazing”) des Reibmaterials besteht, was zu einem Abfallen der Bremsleistung und einer erhöhten Abnutzung der Bremsscheibe führen würde. Um dem entgegenzuwirken, verwendet Brembo für Scheiben und Beläge Reibmaterial mit einer höheren thermischen Leitfähigkeit. 

f1 pedale

UNTERSCHIEDLICHE VERBRÄUCHE, INTEGRIERTE KONTROLLEN


Wie in der Formel 1 werden auch bei den LMP1 beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans Brembo Bremsbeläge aus Carbon eingesetzt: die Belagstärke ist natürlich höher, um während der gesamten 24 Stunden die volle Funktionsfähigkeit zu garantieren. 

Man muss nur daran denken, dass der Abrieb von Belag und Scheibe bei einem Formel-1-Rennen unter 1 mm liegt, während es in Le Mans 3-4 mm bei der Scheibe bzw. 8-10 mm beim Belag sind. 

In der Formel 1 sind die Fahrzeuge mit Sensoren ausgestattet, die es den Ingenieuren in der Box ermöglichen, die Temperatur der Scheiben und der Sättel und tw. auch den Kolbenvorschub ständig unter Kontrolle zu halten: so kann die Abnutzung der Scheiben und Beläge berechnet werden. 

 brembo racing bremssceibe sattel
Mit dieser Information kann in verschiedenen Bereichen eingegriffen werden und es können dem Piloten direkt Anweisungen gegeben werden, wie er seine „brake balance“ ändern und seine Energierückgewinnung bei den Bremsungen einstellen soll. 


Die Brembo Bremsscheiben in Le Mans haben hingegen außer den Sensoren auch noch Kerben unterschiedlicher Tiefe, die es möglich machen, während der Boxenstopps und Fahrerwechsel rasch den Verschleiß zu kontrollieren. Wenn eine Kerbe verschwindet, bedeutet das, dass die Scheibe tiefer als diese Kerbe verschlissen ist. Wenn keine Kerbe mehr zu sehen ist, dann muss die Scheibe ausgetauscht werden, da sie die ursprüngliche Bremsleistung nicht mehr gewährleisten kann. 

​DIE BREMSLEISTUNGEN IM VERGLEICH


Da die Rennen nicht auf denselben Strecken ausgetragen werden, scheint ein Vergleich eigentlichunmöglich. 

Wir haben uns dazu entschieden, die jeweils härtesten Bremsungen der beiden Meisterschaften als Grundlage für einen Vergleich zu nehmen und von diesen die mittlere Verzögerung ins Verhältnis zur Bremszeit und dem Bremsweg zu bringen. Klarerweise sind die Fahrzeuge in der Formel 1 und in Le Mans sehr verschieden und ihr unterschiedliches Bremsverhalten kann und darf nicht nur auf die Bremse zurückgeführt werden. 

Unterschiedliche Fahrzeugeinstellungen, Aerodynamik und vor allem verschiedene Reifengröße und –mischungen spielen genauso eine wichtige Rolle bei den unterschiedlichen Bremsleistungen. Der Vergleich, auch wenn er teilweise vielleicht hinkt, brachte doch interessante Resultate.   

formel 1 brembo

Abschließend können wir also festhalten, dass in einem Wettkampf zwischen F1 und LMP1 auf den ersten 300-500 km des Rennens ohne Zweifel die Formel-1-Wagen die Nase vorn hätten - beim Bremsen. Genauso klar ist es aber, dass die Formel-1-Wagen nach gerade einmal einem Achtel eines 24-Stunden-Rennens die Bremsen schon verschlissen hätten.​​ ​